Viktor Heinz (Gedichte) - Deutschland. Ein Herbstmärchen

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Deutschland. Ein Herbstmärchen

In Anlehnung an Heinrich Heine

Im kritischen Monat Oktober war’s.
Die Aussichten wurden trüber...
Da hatte ich endlich die Schnauze voll
und reiste nach Deutschland herüber.

Und als ich dann in Düsseldorf war,
da musst ich vor Rührung fast weinen.
Ich kam ja aus Russland und nicht aus Paris
wie der Dichtermensch Heinrich Heine.

Ich hatte mich drüben so lange gesehnt
nach schönen deutschen Liedern,
nach Osterglocken und Weihnachtsmarkt,
drum neigt’ ich mich ehrfürchtig nieder.

Ich hatte mich drüben so lange gewehrt
gegen die fremden Sitten,
auch gegen den Druck der knallroten Macht
und den Propagandaflitter.

Ich fiel auf die Knie und senkte mein Haupt
und küsste die Erde, die warme.
O heiß mich willkommen, Vater Rhein,
und schließ mich in deine Arme!

Jetzt wird mich schon keiner mehr anschwärzen hier
und keiner betrügen und täuschen.
Jetzt bin ich zu Hause im Vaterland -
ein Deutscher unter Deutschen...

Da hört ich ein Grollen und lautes Gestöhn,
ein Brummen aus tiefster Tiefe.
Ich zuckte zusammen, ich hatt’ das Gefühl,
als ob es mich kalt überliefe.

Moment mal! Moment mal, mein Freund! Tut mit leid!
Was sind das für Töne, mein Lieber!
In welchem verlassenen Winterwald
hast du dich herumgetrieben?

Verschone mich mit deiner Deutschtümelei
und deinem Tränengesabber,
sonst werden die Wellen mir aus dem Bauch
noch über die Ufer schwappern.

Du machst mich noch traurig und fuchsteufelswild!
Du machst mich noch bitterböse
mit deinem jahrhundertealten Kram
und deinem vergammelten Käse!

Damit kannst du hier keinen deutschen Hund
vom warmen Ofen locken.
Wer trägt heute noch den verstaubten Hut?
Man trägt heute rote Socken!..

Hier legte der Rhein eine Pause ein
und wollte zur Ruh sich begeben.
Ich nützte sofort die Gelegenheit,
um Widerspruch zu erheben.

Nein, nein, sagte ich, es hat keinen Sinn,
das alles zu wiederholen,
was neulich im Osten geschehen ist -
in Russland, Bulgarien, Polen...

Ich habe doch schließlich das alles erlebt:
den GULAG, die Kollektivierung...
Du weißt es ja selbst, was geworden ist
aus dieser Sowjetisierung.

Nach endgültigem Zusammenbruch
ist alles verschüttgegangen,
worauf wir gewartet jahrzehntelang
mit Sehnsucht und Verlangen...

Und wieder wetterte Vater Rhein:
Du bist auf verlorenem Posten!
Die neue computergesteuerte Welt,
das ist dir kein wilder Osten.

Du faselst dauernd von Vaterland,
doch tritt man der Sache näher,
so gibt es hier gar keine Deutschen mehr.
Hier gibt es doch nur Europäer!

Da blieb mir plötzlich die Spucke weg,
ich konnt’ keine Worte mehr finden:
Das rote Licht wird im Osten gelöscht,
im Westen wird’s angezündet.

Mir ging im Kopfe ein Mühlstein um,
die Gedanken - ein Trümmerhaufen.
Ich war in der Finsternis und im Licht,
im Regen und in der Traufe.

Ich raffte mich mühselig auf und stand
wie ein lahmer Mann am Stocke.
Mir war mit einemmal alles Wurscht
und alles Jacke wie Socke.

1996

Unterstützung in sozialrechtlichen Angelegenheiten

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Tel.: 0341-333-85-973

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