Ein großes Fest der Dichtkunst, das ganze fünf Monate währte – von Januar bis Mai 2006, veranstalteten für Freunde und Kenner der modernen Dichtkunst und Prosa die Mitglieder des literarischen Vereins, der schon etliche Jahre unter dem Dach und mit Unterstützung der Ortsgruppe Leipzig der LM der Deutschen aus Russland funktioniert.
Ein großes Fest der Dichtkunst, das ganze fünf Monate währte – von Januar bis Mai 2006, veranstalteten für Freunde und Kenner der modernen Dichtkunst und Prosa die Mitglieder des literarischen Vereins, der schon etliche Jahre unter dem Dach und mit Unterstützung der Ortsgruppe Leipzig der LM der Deutschen aus Russland funktioniert.
Jeden letzten Freitag eilten die Freunde der schönen Literatur neugierig ins Gemeindehaus, wo die literarisch-musikalischen Abende zum Zyklus „Fünf Abende“ durchgeführt wurden. Im Saal, der für 50 Zuschauer bestimmt ist, sammelten sich bis 70 Mann, um neue, aber auch schon liebgewonnene Gedichte zu hören sowie Erzählungen bekannter Autoren, um den Schreibenden Fragen stellen und aufrichtige Antworten darauf bekommen, um der Dichtkunst teilhaftig werden zu können. Die Werke der Schreibenden erklangen in zwei Sprachen- in Russisch und Deutsch.
Den Auftakt zur Veranstaltungsreihe machte der literarisch-musikalische Abend „Auf den Kreuzungen der Schöpfung“, der dem Schaffen unseres ältesten Mitglieds, dem „Veteranen der Feder“ (wie die Kollegen aus dem Freundeskreis ihn hochachtungsvoll nennen) Reinhard Wurster. R. Wurster ist eine faszinierende Persönlichkeit, was er durchmachte würde für etliche Biografien reichen – den Zweiten Weltkrieg, Jahre des Zuchtlagers, aber auch tadellose Arbeitsjahre in der UdSSR sowie ein ruheloser (im guten Sinne des Wortes) Ruhestand in Deutschland; und dann überwältigt einen die Palette seiner Talente – Reinhard schreibt wunderbare Gedichte und Prosa, ist ein begnadeter Maler, beherrscht die Kunst der Buchgrafik und drittens: Er ist das Oberhaupt eines großen Familienverbandes (Clans), dessen Mitglieder in verschiedenen Ländern leben. Er rezitierte Gedichte aus verschiedenen Lebensabschnitten, las autobiographische Prosa, spielte Mandoline im Trio und im Duett, trug lustige und traurige Geschichte vor aus seinem langen Leben...
Zum zweiten Abend, der unter dem Motto „In zwei vertrauten Sprachen“ verlief, lud die Prosaikerin und Journalistin Alita Liebrecht. Sie las Erzählungen über ihre Kindheit im fernen und kalten, trotz alledem aber nach vielen Jahren doch so nahem und warmem Sibirien; erzählte Geschichten nach von Menschen, die aus entlegensten Winkeln Russlands nach Deutschland gekommen sind, über widerspruchsvolle Gefühle, die diese Menschen immer wieder überkommen. (von den sie immer wieder heimgesucht werden). Das Lächeln auf den Lippen der Zuschauer wechselte in Tränen in den Augenwinkeln, so nahe und verständlich, bis zum Herzweh, waren die Geschichten für die Anwesenden. Zum Schluss sangen alle ein Lied von Alita, gewidmet unseren zwei leidgeprüften Heimatländern...
Im März unternahmen die Landsleute eine improvisierte Literaturreise mit Elena Inosemzeva. Der Abend trug den Namen „Rückkehr nach Ithaka“. Sie rezitierte eigene Gedichte über ihre Kinderjahre in Kasachstan, über Liebe und Trennung, über Freud und Leid, darüber, was verloren ging aber auch was sie gefunden hat mit der Umsiedlung. Ihre ausgestellten schwarz-weißen Zeichnungen untermalten die lyrische Stimmung. Als Grafikerin illustrierte Elena schon etliche Bücher, unter ihnen auch den russischsprachigen Almanach „Penaty“, an dessen Herausgabe schon etliche Jahre auch die Ortsgruppe beteiligt ist...
Die literarisch-musikalische Veranstaltung „Alles nimmt seinen Anfang im April“ fand statt, wie der Name es schon verrät, im April. Das ganze Geschehen drehte sich um den Dichter Oleg Akulov und den Barden Anatol Bär. Oleg präsentierte seine neuen Verse aus seinem Gedichtband „Chronologie“. Anatol vertonte 14 von ihnen und sang sie mit seiner eigenen Gitarrebegleitung. Neben lyrischen ertönten auch Werke mit scharfem sozialem Inhalt, zu den Themen Umsiedlung, Heimatliebe sowie zum ewigen Thema des Gegensatzes zwischen dem Guten und dem Bösen. Die Lieder von Anatol Bär erklangen diesen Abend zum ersten Mal, und nach dem mehr als beifälligen Urteil des Publikums werden sie den Grundstock des Soloalbums des Barden bilden, mit dem Titel „Parallele Dimensionen“...
Die Veranstaltungsreihe schloss der literarisch-musikalische Abend „Heilwasser“ ab. Es war ein warmer Maiabend, als nach einem reinigenden, alles erneuernden Regen Nina Löser alle Anwesenden mit ihrer Poesie fesselte. Die Gedichte sowie die Prosawerke dieser Autorin sind dermaßen verschieden, als ob sie verschiedenen Federn entstammten. Es sind tiefgründige Lyrik, zeitweise von einem komplizierten Strophenbau und stets eleganten Reimen gekennzeichnet sowie lustige Erzählungen über verschiedene Begebenheiten aus dem alltäglichen Leben. Aber auch Reaktionen einer Dichterin auf wichtige Ereignisse von gestern und von heute sowie Phantasien in Prosa aus der Märchenwelt. Bald lud Nina den Zuhörer ein, mit ihr in der Welt ihrer bizarren Phantasien zu schweben, bald ließ sie ihn wieder in der Welt des Alltagsgeschehens und banale Dinge landen...
Alle Autoren, deren Schaffen in der Veranstaltungsreihe „Fünf Abende“ eindrucksvoll vorgestellt wurde, gehen ihren eigenen Weg durchs Leben. Reinhard Wurster ist in seinem Unruhestand. Alita Liebrecht ist Journalistin, deren Beiträge von einigen russischsprachigen Zeitungen in Deutschland gern gedruckt werden. Elena Inosemzeva studiert an der Universität Leipzig Kunstgeschichte. Oleg Akulov agiert als unverzichtbares Vorstandsmitglied der Ortsgruppe Leipzig. Anatol Bär bringt im Sportbund Sachse e.V. Kindern und Jugendlichen Selbstverteidigung bei. Nina Löser arbeitet schon viele Jahre in den Leipziger Stadtwerken. Alle aber vereinigt der Schaffensdrang und die Kunst des Schreibens, der Wille, ihre Gedanken an andere zu vermitteln.
Gemeinsam mit den Schreibenden gestalteten den literarischen Zyklus auch ihre Freunde, Mitstreiter und Gleichgesinnte – Musiker, Sänger, Maler, Rezitatoren. Zwei Dutzend talentierter Menschen nahmen an der Veranstaltungsreihe teil – die ganze schöpferische Elite der OG Leipzig, diejenigen, auf deren Konto eine große Anzahl ähnlicher ideenreicher und phantasievoller Abende und anderer kultureller Veranstaltungen stehen, die sie ihren Landsleuten sowie den Altbürgern von ganzem Herzen schenken.
Die Veranstaltungsreihe liegt nun in der Vergangenheit, als eine Seite aus dem Leben der Ortsgruppe. Die Dichter aber und die Prosaiker schreiben schon die nächste Seite – ab Januar nächsten Jahres sind wieder alle alten und neuen Freunde zur neuen literarisch-musikalischen Veranstaltungsreihe „Fünf Jahreszeiten“ geladen. Geht man von der alten Erfahrung aus, so kann man mit Gewißheit prophezeien – auf die Liebhaber der schönen Literatur kommen dieses Jahr wieder spannendste Ereignisse zu!
Sergej Güttlein,
Vorsitzender der OG Leipzig der LM der Deutschen aus Russland
November 2006