Tag der nationalen Trauer

Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurden 1.209.430 Russlanddeutsche entsprechend Josef Stalins Erlass des Obersten Sowjets vom 28. August 1941 innerhalb weniger Wochen unter dem Vorwurf der Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Deutschland aus den europäischen Teilen der Sowjetunion nach Osten – vorwiegend nach Sibirien, Kasachstan...

Mahn- und Gedenkfeier zum Tag der nationalen Trauer der Russlanddeutschen

Deportationen unter Stalin

Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurden 1.209.430 Russlanddeutsche entsprechend Josef Stalins Erlass des Obersten Sowjets vom 28. August 1941 innerhalb weniger Wochen unter dem Vorwurf der Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Deutschland aus den europäischen Teilen der Sowjetunion nach Osten – vorwiegend nach Sibirien, Kasachstan und in den Ural – in so genannte Sondersiedlungen deportiert[2]. Die arbeitsfähigen Männer und Frauen wurden in die sogenannte Trudarmee einbezogen. Es waren Arbeitskolonnen, die hinter Stacheldraht verstaut, Zwangsarbeit verrichten mussten.

In die VerbannungIn der berüchtigten Trudarmee waren die Lebensbedingungen menschenunwürdiger, als in den Kriegsgefangenenlagern. Mehrere hunderttausend Russlanddeutsche – die nicht ermittelte Zahl schwankt um 700.000 – starben in dieser Zeit vor allem an schlechten Klima-, Nahrungs-, Arbeits-, Lebens- oder medizinischen Bedingungen. Nahezu zwei Drittel aller Russlanddeutschen überlebten diese Zeit nicht. Viele erfroren und starben an Unterversorgung. Andere versuchten zu fliehen, wurden aber wieder aufgegriffen und kamen in noch unmenschlichere Bedingungen.

Die Deutschen in den westlichen Gebieten der Ukraine, etwa 25 % der Russlanddeutschen, entgingen zunächst diesem Schicksal. Sie wurden allerdings 1944 im Rahmen der „Heim-Ins-Reich-Umsiedlung“ in den polnischen „Warthegau“ umgesiedelt. Anfang 1945 erfolgte von dort aus häufig die Flucht vor der Roten Armee weiter nach Westen in das Gebiet der heutigen neuen Bundesländer und auch darüber hinaus. Sie wurden von den deutschen Behörden als Deutsche eingebürgert. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges deportierte die UdSSR als Besatzungsmacht diese Deutschen nach Sibirien und Zentralasien in Strafgefangenenlager. Russlanddeutsche aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurden auf Anordnung zurück in die UdSSR „repatriiert“. Jene in den westlichen Besatzungszonen wurden häufig durch falsche Versprechungen der sowjetischen Verbindungsoffiziere („Kommt nach Hause – Eure Männer warten auf euch“) in die UdSSR zurückgelockt.

Die aus Deutschland durch die Alliierten Stalins zurückdeportierten und schon Eingebürgerten galten – im Gegensatz zu den russlanddeutschen Spätaussiedlern der heutigen Zeit, nach bundesdeutschem Recht noch als Kriegsverschleppte. Sie erwartete in der Sowjetunion ein schwereres Los, galten sie doch als Verräter und Deserteure, die während des Krieges nach Deutschland zu den Nationalsozialisten übergelaufen seien. Während der jahrelangen Strafgefangenschaft mussten selbst die Kinder vieler Russlanddeutscher bei tiefen Minusgraden in Minen, beim Gleisbau und im Steinabbau arbeiten. Viele wurden erschossen oder starben an den Folgen der Haftungshärte. Nach dem Krieg durften die Russlanddeutschen ihre Verbannungsorte nicht verlassen und befanden sich unter Kommandanturaufsicht. Ein spezielles Gesetz sah für die „Verbrecher“, die sich an dieses Verbot nicht halten wollten 20 Jahre Zwangsarbeit plus 5 Jahre Entzug der staatsbürgerlichen Rechte vor. Die Kommandanturaufsicht dauerte in manchen Gebieten der Sowjetunion bis April 1956.

Lange noch nach der Teilrehabilitierung der Russlanddeutschen1964 blieb unserer Volksgruppe die Freizügigkeit selbst in der SU verwehrt. Erst in den siebziger Jahren durften die Russlanddeutschen Pässe bekommen.

Über den Leidensweg unserer deutschen Landsleute erzählte A. Gauß. Nach dem musikalischen Auftakt folgte die Schweigeminute. Die Gesangsgruppe „Lyra“ brachte alte Lieder: „Heimat, o Heimat“, „In der Heimat“, „Abschied von der Heimat“, „Weiße Wolken im Himmel“. Es klangen Gedichte von Viktor Killer: „Es gab uns“, „Meine Heimat, wo bist du?“, „An meinem Sohn“. Unter unseren Gästen hatten wir zwei Männer, die die Trudarmee überlebt haben: Reinhard Wurster und Heinrich Schneider. Reinhard Wurster las seine wunderbaren, sinnlichen Gedichte vor.

Das konfiszierte Haus

...

Reinhard WursterUns holten nachts Tschekisten fort
Mit dem bekannten "Schwarzen Raben" -
Mich hat verschont der liebe Gott,
Die Eltern ruh'n im Massengrabe.

Doch endlich kam der süße Tag:
Gab endlich auf die blut'ge "Troika",
Und nach sowjetischem "GULAG"
Kam Gorbatschew mit "Perestroika".

Ich kam zurück ins Heimatland
Als Pilgermann zur Mittagsstunde -
Ich steh' allein und unerkannt,
Es blutet tief im Herz die Wunde.

Mein Blick hängt an dem alten Haus
Nach vierzig Jahren, die vorüber -
Nicht ganz schon sieht's wie früher aus -
Schon wankt der moosbedeckte Giebel.

Im Vorhauschatten sitzt ein Weib -
Die Füße stecken in Pantoffeln,
Ein Tüchlein-Segel, Schürz' um Leib...
Sie schält zum Mittagstisch Kartoffeln.

...

Und an dem Zaun, auf blankem Zinn
Steht deutlich in Kirill geschrieben:
"Hier wohnt ein Held, der in Berlin
Im Zweiten Weltkrieg war gewesen".

Ich wisch den Schweiß, mein Blick ist matt -
Mir wird das Tor zu Galgenstangen...
Doch streift ein Kettenglied am Draht -
Auf mich ein Hund kommt zugegangen.

Er schaut mich wedelnd freundlich an:
"Hab' keine Angst, kannst ruhig reingeh'n;
Ich bin nicht bissig, fremder Mann,
Will gern dir uns'ren Reichtum zeigen!"

"Oh, liebes Hündchen, hilf dir Gott!
Leb' heiter; ohne Furcht und Plagen -
Ich bin zu Gast an diesem Ort,
Kam ihm ade zum Abschied sagen.

Da hebt die Hausfrau ihr Gesicht;
Das Küchenmesser rollt zur Seite...
Sie fragt, was bin ich für ein Wicht,
Heinrich SchneideWas such' ich hier bei fremdem Leuten.

Ich sag ihr ruhig: "Ist schon gut...
Ich such vermisste Trinkgesellen..."
Schnell lüft ich höflich meinen Hut
Und eil' zur S-Bahn-Haltestelle.

Reinhard Wurster

Die ganze Atmosphäre des Abends mahnte: Nie wieder darf sich die Geschichte des Genozids und der Vertreibung wiederholen.

Aber immer wieder erlebt die Menschheit das Rezidiv der Menschenverachtung: Sei es in Russland, im ehemaligen Jugoslawien, in Afghanistan, im Nahen Osten oder noch sonst wo. Ein durchdringender Gedanke wurde wieder und wieder zitiert: Wer die Geschichte nicht kennt oder nicht kennen will, der ist verdammt sie noch einmal zu wiederholen.

 

Unterstützung in sozialrechtlichen Angelegenheiten

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