22. März 1935 begann in Berlin die erste offizielle regelmäßige Fernsehausstrahlung Deutschlands
Die Stunde null des deutschen Fernsehens vor 75 Jahren fiel in die Zeit des Nationalsozialismus. Vor Großbritannien und den USA startete Deutschland nach einem technologischen Kopf-an-Kopf-Rennen als erstes Land ein reguläres Programm. Der Auftrag lautete, das Bild des Führers unverlöschlich in alle deutschen Herzen zu pflanzen
Hitlers Rechnung ging nicht auf. Zwar trat er vor allem 1936 mehrmals vor die Kameras, doch war das Fernsehen bis zum Ende des Dritten Reichs nur einer kleinen Minderheit zugänglich. Die riesigen Geräte kosteten bis zu 3600 Reichsmark; ihre Bildschirme waren winzig und lieferten verschwommene Bilder.
Nur ein paar hundert solcher Empfangsgeräte standen im ganzen Reichsgebiet zur Verfügung.
Ihre Besitzer-Partei - und Staatsfunktionäre in Berlin, München, Nürnberg , Köln und Hamburg. Per Kabel waren die Geräte mit der Sendezentrale in Berlin verbunden. Im April 1935 eröffnete die Post im Berliner Stadtgebiet mehrere Fernsehstellen, später auch in Potsdam, Leipzig, Nürnberg und Hamburg. Jeweils rund 30 Zuschauer hatten in den Wärmestuben in den Postämtern Platz.
Das Programm beinhaltete Filmberichte aus der Wochenschau und stark gekürzte Spielfilme von etwa 30 Minuten Dauer. Zudem gab es Theateraufführungen, Gesang, bunte Abende und Ratgebersendungen. Als erste Fernsehansagerin ging die Berliner Schauspielerin Ursula Patzschke in die Geschichte ein. Neben ihrer eigentlichen Aufgabe führte sie auch Kunststücke mit ihrem Hund vor und rezitierte Gedichte bekannter Dichter.
Das erste Studio wurde am S-Bahnhof im Berliner Stadtteil Witzleben errichtet. In einer kleinen absolut dunklen „Fernsehzelle“ konnten Ansager, Schauspieler, Sprachdarbieter, später auch kleinere Gruppen oder Kapellen stehend oder auf Stühlen sitzend abgefilmt werden. Von der Fernsehkamera ging ein flackernder, rotierender grell leuchtender Lichtstrahl aus, der die Personen in der Fernsehzelle stark blendete. Die Gefilmten selbst sahen nichts und mussten sich an den am Boden angebrachten Leisten orientieren, die Bildbegrenzungslinien deutlich machten. Durch vorsichtiges Herantasten mit den Füßen wussten sie, wo die Grenzen des Kamera- Bildwinkels lagen. Diese Grenzen durften sie nicht überschreiten.
Das Spektakel der Olympischen Spiele 1936 gab dem Fernsehen einen deutlichen Impuls und etablierte das Medium. Dank spezieller Technik konnten sich die Zuschauer bis zu acht Stunden täglich die Wettkämpfe ansehen, zum Teil nur um wenige Minuten in der Zeit versetzt, beinahe „live“ sozusagen. Die neuen 27 Fernsehstuben und drei Großbildstellen in Berlin und drei Großbildstellen in Berlin und Umgebung wurden regelrecht überflutet. Seit 1938 fand die Produktion der Fernsehsendungen in einem „hellen Studio“ statt. Er war das Gegenteil der alten „dunklen Fernsehzelle“: Der blendende Abtaststrahl war verschwunden, dafür lief einem bei 60°C die Schminke aus dem Gesicht, weil unzählige Scheinwerfer von vorne, von den Seiten und von der Decke herabschienen. Ohne Schminke funktionierte es aber auch nicht: Für einen guten Schwarzweißkontrast vom Kamerabild zum Fernsehempfänger mussten die Schauspieler und Ansager kräftig gelb und rot angemalt werden. Zudem hat man ihnen die Augenbrauen mit Schwarz nachgezogen. In dieser Zeit sahen die Fernsehdarsteller während der Aufnahmen aus wie bunte Papageie.
Die ersten „Volksfernseher“ gingen im Sommer 1939 in Produktion und sollten 650 Reichsmark kosten. Mit Kriegsbeginn im September wurde die Serienproduktion jedoch auf Eis gelegt. Später durften die verletzten Soldaten bei leichter Unterhaltung genesen: “Wir senden Frohsinn, wir spenden Freude“ hieß eine Show aus dem Kuppelsaal des Olympiastadions, die auch in den Lazaretten zu sehen war. Im November 1943 wurde der Berliner Sender von Fliegerbomben zerstört. Erst nach dem Krieg hatte das Fernsehen in Deutschland wieder eine Stunde null.
Jorg Elfner