Das Europaparlament fasste eine Resolution, die den von der sowjetischen Regierung organisierten Hunger 1932-1933 in der Ukraine als Verbrechen gegen die Menschlichkeit qualifizierte. Das Dokument enthält einen Appell an die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion die Archive zu veröffentlichen. Davor anerkannte der Kongress der USA den Holodomor als Genozid am ukrainischen Volk. Laut Angaben des OGPU (politische Geheimpolizei der Bolschewiken) zählten die Opfer zum 15. April 1933 (in viereinhalb Monaten) 2.240.010 (zwei Millionen zweihundertvierzigtausendeinhundert) Menschen und 2.500 Fälle des Kannibalismus. Laut Forschungsergebnissen des Kongressausschusses der USA wurden durch den Hunger in der Ukraine 10 Millionen Menschen ermordet. Die ukrainischen Historiker beziffern die Zahl der Opfer mit 7 Millionen 200.000.
Infolge des Regierungsbeschlusses vom 7. August 1932 „Über den Schutz staatlicher Unternehmen…“ wurde jeder 30-ste in der Ukraine erschossen, unzählige Menschen wurden zu 10-15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Am 27. November 2010 starteten in 12 Ländern Aktionen zum Gedenken an die Opfer des Holodomor-Genozids von 1932-1933: In Australien, Armenien, Griechenland, Spanien, Italien, Kanada, Portugal, Serbien, in den USA, Frankreich, Kroatien, Tschechien.
Wie konnte es aber geschehen, dass sechs Jahrzehnte lang dieses schreckliche Verbrechen vor der Menschheit verheimlicht werden konnte? Warum wird so leidenschaftlich über diese historische Tatsache gestritten? Warum gibt Russlands Regierung die Tatsache des Genozids nicht zu und versucht dabei seine Position dadurch zu rechtfertigen, dass auch Vertreter anderer Nationen ums Leben gekommen seien? Die Antworten darauf sind in den heutigen politischen Gegebenheiten zu suchen. Nicht selten wird die Geschichte zum Gegenstand politischer Manipulationen und unlauterer Spekulationen gemacht.
Die Analyse der Geschichte aber und die Befreiung von den Mythen tragen zur Aufklärung der Gesellschaft und ihrer Positionierung in der heutigen Gesellschaft bei. Das hysterische Gejammer über die Unzulässigkeit der Neueinschätzung der Geschichte angesichts neuer Erkenntnisse aus geheimen Archiven dient der russischen Regierung um neue imperiale Ambitionen zu schüren. Die Nachfolger der kommunistischen Vergangenheit möchten dadurch die ihnen so lieben sowjetischen Mythen am Leben erhalten.
Die Ukraine hat mit ihrer sowjetischen Vergangenheit abgerechnet und ist nicht willig die kommunistischen Mythen am Leben zu erhalten und das verbrecherische System zu rechtfertigen. Sie nennt die Dinge bei ihrem Namen, ohne sich dabei als Nachfolgerin der UdSSR zu identifizieren, indem sie die sowjetischen Verbrechen verurteilt. Deswegen betrachtet die Ukraine die Wahrung des Ansehens der SU sowie ihrer Führer nicht als ihre Sorge.
Die Kremlchefs verstehen sich als legitime Rechtsnachfolger der Sowjetmacht, sowie ihrer Ideologie und der Regiermethoden. Und genau deswegen anerkennt Russland den Massenhunger auch nicht im russischen Teil der UdSSR als Verbrechen gegen das russische Volk wie gegen die Menschheit. Als krasses Beispiel kann z. B. die Tragödie Petersburgs dienen, wo sich im Laufe von drei Jahren (1917-1921) die Bevölkerung der Stadt infolge des politischen Terrors ums Zehnfache, von 2 Millionen Einwohnern auf 200.000, verringert hat.
Infolge des von den Bolschewiken entfesselten Bruderkrieges wurden von 1918 bis 1922 auf dem Territorium des ehemaligen Russischen Reiches 11 bis 12 Millionen Menschen vernichtet (3 Millionen davon starben an Typhus). Diese Greueltaten qualifizierten 11 Länder als Genozid.
Die unglaublichen Opfer infolge einer speziell von den Bolschewiken organisierten Hungersnot lassen schlussfolgern, dass zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg das Land noch einen Krieg erlebt hatte. Tatsächlich war es auch so, die an Hunger und Terror sterbenden Menschen aber hatten keine Verbündeten in der Welt, die bereit gewesen wären, ihnen zur Hilfe zu eilen und die Aggression der Kommunisten gegen das eigene Volk abzuwehren.
Ein wesentlicher Teil der westlichen Intellektuellen, von prosowjetischen Sympathien ergriffen, ließ entschieden keinerlei kritischen Gedanken gegen die UdSSR zu - „sie waren nicht bereit, der Wahrheit in die Augen zu schauen“. Der Westen wurde durch den Umstand irregeführt, dass die SU in den dreißiger Jahren keinen einzigen Tag den Getreideexport einstellte und entschieden jegliche Auslandshilfe ablehnte. Die Käuflichkeit der Journalisten trug ebenfalls zur Desorientierung der Weltöffentlichkeit bei. So wurde Walter Duranty, ein Moskauer Korrespondent der New-York Times mit dem Pulitzerpreis „Für objektive und nüchterne Reportagen…“ ausgezeichnet, in denen er über die Errungenschaften und prosperierende Bauern berichtete (gleichzeitig aber schätzte er in privaten Gesprächen die Zahl der Opfer mit an die 10 Millionen ein).
Der amerikanische Publizist Norman Naymark analysiert in seinem Buch „Stalinsche Genozide“ die Hintergründe des unerhört grausamen Umgangs der bolschewistischen Regierung mit dem ukrainischen Volk und schätzt ihn aus juristischem Blickpunkt ein. „Das ukrainische Bauerntum wurde doppelt verdächtigt: Wie Bauern – als eine konterrevolutionäre und für die Bolschewiken hoffnungslos rückständige Klasse sowie als Ukrainer, deren Nationalismus Stalin reizte“.
Stalin setzte sich nicht das Ziel, alle Ukrainer zu vernichten, plante aber detailliert ihre Russifizierung, so Naymark. Die Kremlriege war überzeugt, dass die ukrainische Bauernschaft eine feindliche Gruppe sei, die vernichtet werden muss.
„Das reichte für die sowjetische Regierung, das muss auch reichen, um die Schlussfolgerung zu machen, dass der ukrainische Hunger Genozid war“, resümiert Nayman.
Als Genozide definiert Naymark auch die Entkulakisierung, Deportationen, den großen Terror.
Und vor diesem Hintergrund ist der Versuch das verbrecherische sowjetische Regime zu rehabilitieren unter aller Kritik. So versuchen die Opponenten des Hungermords eingangs der Öffentlichkeit zu suggerieren, indem sie das Auditorium von den historischen Fakten ablenken, dass gewisse Nationalisten bzw. Feinde des russischen Volkes ein Komplott gegen die Russen schmieden und versuchen dieses Volk an der Vernichtung der Ukrainer zu beschuldigen. Obwohl im „Gesetz über den Hungermord 1932-1933 in der Ukraine“, das den Hungermord als Genozid qualifiziert, eindeutig die Rede über die Taten der Regierenden, nicht aber über die des russischen Volkes geht.
Und das sind Taten, die unter Punkt „s“ Artikel 6 der Satzung des Nürnberger Tribunals fallen. Das Gericht ermittelte als Schuldige an der bisher in der Welt unerhörten Vergeltungsaktion mittels Hungers ein Häuflein von Usurpatoren mit dem Generalsekretär des ZK der kommunistischen Partei der Bolschewiken Josef Stalin (Dschugaschwili) an der Spitze.
Hier einige Argumente der Geschichtsfälscher:
- Der Hungermord sei keine geplante Vernichtungsaktion gewesen, sondern lediglich ein bedauernswertes „Scheitern der Politik“
- Der Hungermord ist ein reines Klassenverbrechen (mit den Händen der städtischen Einwohner seien die Dorfbewohner vernichtet worden), dabei hatte Stalin gar nicht vor allein das ukrainische Volk zu vernichten, seien doch zum Opfer der Hungernot auch griechische, jüdische und deutsche Kolchosen gefallen.
- Als Argument gegen die Definition des organisierten Hungers sollen auch Behauptungen sein wie: „Das ukrainische Getreide wurde nicht nach Moskau gebracht“, „Ein Teil des Getreides wurde über Odessa ins Ausland exportiert, und Odessa ist wiederum eine ukrainische Stadt“.
- Im nach der Hungersnot darauffolgenden Jahr veranlasste Stalin Saatgut in die Ukraine zu bringen, was die komplette Konzeption des Genozids zerschlage.
- „Unter den Organisatoren des Hungermordes gab es auch Ukrainer“.
- Die AbermillionenUmgekommener können schon rein formal nicht als Opfer des Genozids anerkannt werden, da es sich um eine soziale Gruppe handelt, nicht aber um eine nationale, ethnische bzw. religiöse.
- Auch der Zeitfaktor spricht nicht dafür, dass der Hungermord Genozid gewesen sei, nämlich deswegen, weil die Definition des Genozid erst 1948 in der Genfer Konvention festgelegt worden, der Hungermord aber mehr als ein Jahrzehnt früher gewesen sei.
- Geht man das Problem aber ganz streng an, so sei der Hungermord generell ein Mythos, da er einen nazistischen Ursprung habe.
- In den Materialien über den Hungertod kommen Fotos vor, die nicht von der Hungernot 1932-1933 berichten, sondern von der 1921-1922 („um ein visuelles Effekt zu erreichen“), was ein Indiz dafür sei, dass es sich um antibolschewistische Propaganda handle.
Als Argumente für die Anerkennung des Hungermordes als Genozid werden folgende Fakten genannt:
- Die Hungersnot wurde in der Ukraine und in Kuban (die Mehrheit in Kuban waren Ukrainer) künstlich geschaffen
- Es wurde nicht nur das Getreide konfisziert, aber auch alles Essbare (der Inhalt der Töpfe wurde sogar ausgeschüttet und vernichtet)
- Menschen, die versuchten, irgendwelche Lebensmittel für die Hungernden zu bringen, wurden gezielt gefangen und die Lebensmittel weggenommen
- Es war verboten, die Dörfer zu verlassen
- Spezielle Straftruppen fingen die flüchtigen Bauern ein und erschossen sie
- Auf die so genannten „Schwarzen Tafeln“ wurden Kolchosen eingetragen (400 waren an der Zahl), die mit Verbrauchsgütern nicht beliefert werden durften (unter anderem auch mit Petroleum, Salz, Streichhölzern, Nägeln, Glas, Geschirr, Schuhwerk, Seife)
- Im Land gab es genug Lebensmittel, um den Massenhunger nicht zuzulassen
- Der Getreideexport lief ununterbrochen
- Das „Gesetz über fünf Getreideähren“ sah für fünf nach der Ernte gesammelte Ähren die Hinrichtung durch Erschießung vor
- Die Veröffentlichung der Informationen über die Hungersnot wurde von den Machthabenden als machtgefährdend qualifiziert und streng verfolgt.
Mendel Chatajewitsch, einer der Organisatoren des Hungermordes am ukrainischen Volk, sagte Folgendes: „Es bedurfte eines Hungers, um ihnen zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Der kostete uns Abermillionen von Menschenleben, jedoch behauptete sich das Kolchosensystem. Wir haben den Krieg gewonnen!“
Der Bevölkerungsverlust war dermaßen beängstigend, dass Stalin die führenden Organisatoren der Volkszählung 1937 zu erschießen befahl, damit sie nie über die Folgen des schrecklichen Genozids zeugen würden.
Übersicht Internetnachrichten
Kommentar zum Artikel von Viktor Sumskoj
Genozid heißt zu gut Deutsch Völkermord. Darüber klären uns verschiedenartigste Nachschlagewerke auf und sind sich dabei einig, wenigstens waren sie es bis zur letzten Zeit. Ob aber Völkermord gleich Genozid ist, darüber scheiden sich in der heutigen Gesellschaft die Geister immer mehr. Besonders in Deutschland.
Um Genozid – Verbrechen nicht zuzulassen und zu bestrafen wurde am 9.12.1948 in der Genfer Konvention erstmals die Definition des Begriffes Völkermord unternommen. Nun finden sich 49 Jahre danach Politiker, die diese Definition revidieren und entstellen, um auf solche Weise die Offensichtlichkeit von Genozid – Verbrechen der Gegenwart in Frage stellen zu können.
Es wird als gute Manier (politisch korrekt) empfunden, situationsgemäß nicht den angebrachten Terminus „Genozid“ zu gebrauchen, sondern solche Verharmlosungen wie Kriegsgewalt, Massengewalt, Umsiedlung, Vergeltung, Hunger, Massenhunger, ethnische Säuberung, Säuberung sowie andere Euphemismen und linguistische Fisimatenten aus der Trickkiste der Dealer von der Politik.
Nennt man jedoch die Dinge bei ihrem Namen, so dürften gemäß der Genfer Definition des Völkermordes, die keine zwei Deutungen zulässt, weder das Tötungswerkzeug, noch die Methoden des Mordes, noch die Gruppenzugehörigkeit der Täter als mildernde Umstände berücksichtigt werden.
Lautet doch das von der Völkergemeinschaft verabschiedete Dokument: „Genozid sind „verbrecherische Handlungen, die im Frieden oder Krieg in der Absicht begangen werden, nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppen ganz oder teilweise zu vernichten, indem Mitglieder der Gruppe getötet bzw. ihnen schwere körperliche oder seelische Schäden zugefügt oder Lebensbedingungen für solche Gruppen geschaffen werden, die auf deren völlige oder teilweise physische Vernichtung berechnet sind...“
So hatte der Ex-Außenminister Deutschlands Joschka Fischer nicht den Mut den Genozid in Ruanda sowie den regulären Völkermord in anderen massenmordträchtigen Regionen der Welt bei seinem Namen zu nennen. Stattdessen gebrauchte er das Umschreibsel „Massengewalt mit genozidalem Potenzial“. Seine Verehrer schlussfolgern, Joschka bediente sich deswegen solch feiner, auserlesener diplomatischer Redensarten, weil er befürchtete, es müsse (könne) sonst in innere Angelegenheiten souveräner Staaten militärisch eingegriffen werden“. Wo aber sei die Gewähr, dass dabei die „Intensität der Gegenmaßnahmen“ (gemeint ist offensichtlich der Strafrahmen) angemessen sein würde, spekulieren stirnrunzelnd seine Anhänger. Andere, in Politikwissenschaften ebenfalls Bewandte sehen hinter Joschka Fischers und seinesgleichen Wortequilibristik nichts anderes, als einen unverhohlenen Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen, eingefleischte Verbrecher in Schutz zu nehmen und irgend welchen Deutschen beispielsweise, oder wem auch immer, die Lust zu nehmen auf einmal den Begriff Holocaust, zum Beispiel, relativieren zu wollen.
Der Franzose Jacques Semelin behandelt in seinem bald auch in Deutsch erscheinenden Buch das Phänomen und den Begriff Völkermord aus völkerrechtlichem Blick und wirft diesbezüglich ein: „Es heißt nicht, dass man beim Vergleichen gleichstellt. Dadurch will man die Unterschiede feststellen“.
Offensichtlich befürchten Politologen und andere Gesellschaftswissenschaftler nicht ohne Grund, der Begriff Genozid könnte politisch instrumentalisiert werden.
Warum wohl die ganze revisionistische Wortklauberei? Verfügen doch die Juristen über ein sich schon bewährtes Instrumentarium für die Feststellung des Schuldgrades. Zum Beispiel: Klare juristische Begriffe, die den Unterschied zwischen Mord und Totschlag definieren. Oder zum Beispiel die Angemessenheit der Notwehr... Oder werden solche klaren juristischen Begriffe von manchen zeitgenössischen Politikern ignoriert und Ausflüchte gesucht, um ihre und der Mittäter Verbrechen zu tarnen. Ei, wenn mein Verdacht auf einmal unbegründet ist, und die von mir Beschuldigten doch nicht absichtlich, aus bösem Willen agieren, sondern aus tiefer Überzeugung, dass wahlweise Gerechtigkeit gottgewollt sei?
Aufmerksamer Leser
Heinrich Haas
Dresden