Erste Reaktionen

Das 10. Änderungsgesetz zum BVFG in Kraft (erste Reaktionen des Bundesverwaltungsamtes)

"Ziel und Zweck des Gesetzes soll Aufnahme von Deutschen aus infolge der Aussiedlung zerrissener Familien sein
(DaR)

Widerspruch

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich protestiere entschieden gegen Ihre negativen Entscheide vom 30.04.2013, denn sie sind nicht gerecht.

Die Ablehnung gründet auf der Annahme, meine Gebrechen seien altersbedingte Erscheinungen, was nicht stimmt.
Meine Gesundheit wurde schon in der frühen Kindheit gründlich ruiniert.
Es begann alles mit dem Krieg, als unsere Familie, wie alle Deutschen im September 1941 aus der Krim nach Nordkasachstan deportiert wurde. Wir Kinder wurden von den Eltern getrennt, die wir nie wieder sahen. Irgendwo in den Weiten Russlands sind sie ums Leben gekommen, genau wie zwei meiner Geschwister. Den jüngeren Bruder Hans fand ich todkrank erst wieder 1963. 1941 war ich 6 Jahre alt. An mein Kleidchen war ein Flicken angenäht, auf den mit einem Tintenstift mein Name geschrieben stand sowie die meiner Geschwister: Werner, Hans und Lisa. So behielten wir wenigstens unsere Namen.

Ich und mein Bruder Hans kamen in dasselbe Kinderheim. Wegen miserabler Ernährung litt ich drei Jahre lang unter Skorbut und erkrankte an Malaria. Erst 1947 ist es gelungen die heimtückische Krankheit zu dämmen. Wegen der langjährigen Einnahme von Chinin (Arzneimittel gegen Malaria) verschlechterte sich meine Sehkraft katastrophal bis auf -11, und mein Gehör ebenfalls. Und das verfolgt mich mein Leben lang. Als ich nach Deutschland kam, trug ich zwei Brillen, da ich schon eine Brille der Stärke -18 benötigte.

Ständig wegen der deutschen Abstammung misshandelt, erkrankte auch mein Bruder Hans an Knochentuberkulose, an der er später auch verstarb – waren wir doch die „Faschisten“, und als solche wurden wir auch behandelt (oft schlug man uns ohne Grund bis aufs Blut, und niemand stand uns bei – so rächte man sich an den „Faschisten“). Eine Episode erwähne ich hier: Als „Faschistin“ musste ich, von den Kinderheimbewohnern getrieben, im Winter, barfuß, im Nachthemd einen Kilometer weit gehen, und als Beweis sollte ich einen an einer bestimmten Stelle in den Schnee gesteckten Tannenzweig ins Heim zurückbringen. Den Weg zurück bis vor die Zaunpforte schaffte ich noch. Vor der Pforte, die aber von innen zugebunden war, verließen mich meine Kräfte, und ich fiel hin. Nur weil mein schon ganz leises Winseln von einem Vorbeigehenden gehört wurde, blieb ich am Leben. Mit schrecklichen Erfrierungen kam ich ins Krankenhaus, wo ich 9 Monate lang, ständig mit Fischtran gesalbt, in einem Laken aufgehängt auf mein Ende wartete. Ich kam aber mit dem Leben davon. Seitdem kann ich weder Fisch essen, noch riechen.

Wegen meinen Krankheiten ging ich erst mit 10 Jahren zur Schule. Ganze 5 Jahre ist es mir gelungen die Schule zu besuchen. Mit 16 wurde ich in eine Grube gesteckt, wo ich in 400 m Tiefe Kohle hacken musste. Die Strecken waren kaum 80 cm hoch, so dass ich bis 10 und mehr Stunden täglich in gebückter Haltung arbeiten musste. Nach knapp drei Jahren erkrankte ich dermaßen, dass ich mich nur noch auf Krücken bewegen konnte.
Ich erwähne noch eine Episode aus meinem Grubenleben. Es verschwand aus irgendwelchem Grunde längere Zeit mein Essen, das ich mir zur Arbeit mitbrachte. Eines Tages aber ertappte ich eine Frau, als sie mein Essen entwendete. Als sie mich erblickte, schrie sie mich an: „Aha, Faschistin, du willst auch noch von unserem Brot fressen!“ und schlug mit dem Spaten auf mich ein. Dabei traf sie mich gezielt am Gesicht und verletzte meine Stirn, die Augenbraue mit einem Stück Haut hing über dem Auge, sodass ich auf dem rechten Auge nichts mehr sah. Wenn ich nicht zurückgeschlagen hätte, hätte sie mich sicher umgebracht, denn unser Leben war ja nichts wert. Die Frau brachte man ins Krankenhaus, ich aber wurde zur Kommandantur von einem Milizionär gebracht. Dem Kommandanten ist es nur deswegen nicht gelungen mich zu vergewaltigen, weil ich mich in Todesangst dagegen wehrte und er besoffen war. Drei Tage lang wurde ich im Isolator hingehalten, ohne jegliche ärztliche Hilfe.

Mein heutiger Gesundheitszustand ist nichts anderes als die Folge der langjährigen körperlichen und seelischen Misshandlung und Qualen. Ohne Brille und Hörapparat kann ich nicht unter die Menschen. Ich schämte mich wegen meines ruinösen gesundheitlichen Zustands und wollte lange trotz allem allein fertig werden. Da ich aber wegen unaufhörlichen Schmerzen sogar keine Kartoffeln mehr schälen konnte, noch Zwiebeln schneiden, das Glas nur mit beiden Händen halten, sogar die Tür nur unter großen Schmerzen abschließen kann, wendete ich mich an die Krankenkasse, und seit 2009 bin ich in Pflege.

Zu allen Gebrechen gesellte sich noch eine anhaltende Depression. Denn die freudlose Kindheit und Jugend ohne elterliche Liebe und ständig unter bösen und grausamen Menschen in einer grausamen Zeit konnte sich nicht anders auswirken und sind auch die Auslöser für mein miserables seelisches Befinden. Dazu kommt noch die unfreiwillige Trennung von meinen Nächsten, die immer unerträglicher wird, denn ich bin hier mutterseelenallein.
Und ich begreife immer mehr, wie sehr Kinder und Enkel Eltern und Großeltern brauchen – ich selber habe eine Tochter und einen Sohn, vier Enkelkinder und drei Urenkel, die selbstverständlich auch ihre Mutter, Oma und Uroma vermissen. Mehr aber brauche ich meine Nächsten, denn ohne fremde Hilfe läuft bei mir gar nichts mehr. Und die würden mich nicht im Stich lassen, so wie es in den russlanddeutschen Großfamilien seit eh und je Brauch ist.

Keiner von meinen im Herkunftsland zurückgebliebenen Nächsten rauchte oder trank je Alkohol, alle sind fleißig und würden Deutschland nicht auf der Tasche liegen.

Niemand mehr kann die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit zurücknehmen bzw. ungeschehen machen. Es liegt aber in Ihrer Hand, sehr geehrte Damen und Herren, die von der grausamen Zeit und Regimen zugefügten Schmerzen durch Ihren gerechten Entscheid zu lindern, und soll es rückwirkend sein, genauso rückwirkend wie der Gesetzgeber die nachträgliche, rückwirkende Einbeziehung möglich macht. Zweifellos ist, dass diese Möglichkeit humane Ziele verfolgt.

In Hoffnung auf eine recht baldige Entscheidung

Mit freundlichen Grüßen

 

Unterstützung in sozialrechtlichen Angelegenheiten

macht Sozialreferent mit langjähriger Erfahrung

Montag - Freitag
von 9:00 bis 15:00
und nach Vereinbarung
Tel.: 0341-333-85-973

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