Von Olaf Majer
Thilo Sarrazin könnte als Musterbeispiel einer gelungenen Integration gelten. Wer es aus einer vertriebenen französischen Hugenottenfamilie mit Piraten-Wurzeln zum Berliner Finanzsenator und Bundesbanker bringt, der darf durchaus seine Eingliederung in die Heimat der Kleingärtner und Bierfreunde als geglückt ansehen.
Bundesbank-Chef Axel Weber beeindruckt diese Migranten-Biografie indes nicht. Denn Sarrazin hat etwas getan, was zwischen gequältem Parteiendeutsch und der bemühten Problemverdrängung kaum ein Denker und Lenker hierzulande mehr wagt: Er hat Klartext geredet. Er hat es mit einem schonungslosen, teils bitterbösen Rundumschlag getan, und weder Kopftuchmädchen noch arabische Obst- und Gemüsehändler verschont. Er hat Türken der dritten Generation ohne Deutschkenntnisse den Willen zu Schulabschlüssen und echter Arbeitssuche abgesprochen. Er hat auch fleißige Russlanddeutsche und vietnamesische Schulkinder gelobt, die ihre deutschen Mitschüler alt aussehen lassen. Doch das ging im allgemeinen Sturm der Entrüstung unter. Kurzum: Thilo Sarrazin hat gegen das oberste Gebot der korrekten Bundesrepublik verstoßen: Du sollst nicht laut aussprechen, was viele denken und bewegt, weil schon hinter der nächsten Ecke ein Beleidigter zürnt. Die deutsche Geschichte mahnt und drückt – und öffnet die Schere im Kopf.
Nun hat die Bundesbank das Opfer erbracht und den Sünder dem Empörungstribunal ausgeliefert. Das wundert kaum. Die geräuscharme Welt der Geld- und Schuldscheine ist bislang kaum als lauter Debattierklub über Gesellschaftsprobleme aufgefallen. Und doch wäre es interessant zu wissen, ob Bankchef Weber genauso rasch gehandelt hätte, wenn Sarrazin in jetziger Funktion seine Kochrezepte und Pullover-Tipps für Hartz-IV-Empfänger unters Volk gebracht hätte. Vermutlich hätten die um internationale Schadensbegrenzung bemühten Bundesbanker die Schelte für das eher renditeferne Harz-Klientel weniger in Wallung gebracht.
Am vorläufigen Ende der Staatsaffäre Sarrazin bleibt zweierlei zurück: Ein ärgerlicher Maulkorb und ein gescheiterter Migrant. Die hiesige Protest-Elite weist dem Hugenotten-Pirat die Tür. Gelöst ist damit keines der Integrations-Probleme, weder mit fanatischen Hasspredigern, sinkenden Gewalthemmschwellen noch mit der Abhängigkeit ganzer Familiengenerationen von den Sozialsystemen. Aber immerhin gibt es eine neue Idee: Ein muslimischer Feiertag soll schulfrei für alle bringen. Als Zeichen der Toleranz. Oder der Kapitulation?
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„Leipziger Volkszeitung“ vom 14. Oktober 2009